Gestern fragte ich eine Freundin was SIE letztes Wochenende schönes gemacht habe und sie plauderte munter darauf los. „WIR haben richtig schön ausgeschlafen und waren dann brunchen. Am Abend waren WIR im Kino. Der Film hat uns aber gar nicht gefallen. WIR finden ja so Liebesschnulzen allgemein ziemlich blöd, da WIR ja nicht so die Romantiker sind. WIR waren dann noch beim Italiener, aber das Essen hat uns gar nicht geschmeckt. Als WIR damals in Italien waren, hat das ganz anders geschmeckt. Das fanden WIR viel würziger. WIR fangen jetzt übrigens bald einen Italienischkurs an, weil uns die Sprache schon immer so gut gefallen hat.“
Äh… entschuldige bitte? Warum gibt es eigentlich so viele Pärchen die nach kurzer Zeit zu einem dicken, klebrigen Einheits-WIR verschmelzen mit 4 Armen und 4 Beinen? Die nicht mehr selbständig denken können? Nichts mehr getrennt unternehmen? Immer der gleichen Meinung sind? Und wenn es ganz schlimm kommt noch die gleichen Jack Wolfskin Windjacken tragen und die gleichen Fahrräder fahren? Wie schnell geht eigentlich die Individualität bei manchen verloren?
Ich verstehe ja, dass frisch verliebte Pärchen sich gegenseitig ihre Zuneigung ausdrücken müssen. Ich verstehe auch, dass man dann in diesem Herzchen-rosa-Wolke-Zustand auch der ganzen Welt mitteilen muss wie glücklich man ist. Und ganz besonders deprimierten Singles, wie mir, gern mal sagen muss „Ich weiß gar nicht was Du hast! Ist doch alles so einfach mit der Liebe. Und es fühlt sich super gut an!“ Gut finde ich dann auch so schöne Ratschläge wie „Der Richtige kommt schon noch.“ oder „Genau dann wenn Du es nicht erwartest, steht er vor Dir.“ Aber ganz ehrlich dazu schreibe ich noch einen extra Blogeintrag, denn von diesen gut gemeinten Ratschlägen bekomme ich so großen Wortkotzbrechreiz, dass es für ein ganzes Buch reicht.
Ja, ich freue mich ja auch für meine Freundin L. Aber ich kannte sie eben schon vor dem WIR und ich mochte sie gern so. Wir haben uns früher gern mal zusammen zum 100. Mal „Dirty Dancing“ reingezogen und lagen uns bei „Ich habe eine Wassermelone getragen.“ und „Mein Baby gehört zu mir!“ kreischend in den Armen. Aber Romantik mögen WIR ja nun nicht mehr. In Italien waren wir (also L. und ich) übrigens auch schon mal zusammen und da hat uns das Essen auch sehr gut geschmeckt. Und soweit ich mich erinnere wollte L. dieses Jahr auch endlich allein eine wohlverdiente Auszeit in Australien nehmen. Aber das haben WIR hat sie wohl erst mal aus unbekannten Gründen auf Eis gelegt.
Mir ist klar, dass eine Beziehung vieles verändert. Ich verstehe dass man sich vielleicht mal ein neues Hobby zulegt, weil der Partner es gern hätte, wenn Madame mit in den Skiurlaub fährt und Madame vielleicht unerwartet selbst Spaß im Schnee oder anderswo hat. Mir ist klar, dass man gern und viel Zeit miteinander verbringen möchte, gemeinsame Erlebnisse schafft und sich Träumen hingibt, die man vorher nicht geträumt hat oder nicht zu träumen gewagt hat.
Für mich ist allerdings der Schlüssel zu einer guten Beziehung der richtige Umgang mit dem WIR und dem ICH. „Ich schaue gern den Bachelor. Mein Freund findet das trashig, aber er schaut ja auch am Samstag mit seinen Kumpels Fußball.“ (O-ton: Merkt Ihr was? Der Bädschelor zieht sich durch ganz schöne viele meiner Artikel. 😉 ) „WIR fahren gemeinsam nach Barcelona, weil es MEINE absolute Traumstadt ist und ICH ihm die gern mal zeigen will.“
Gemeinsam Zeit verbringen: Ja.
Getrennt Zeit verbringen: Ja.
Input von nur (!) einer Seite schadet meiner Meinung nach. Die Welt ist kunterbunt und hat viele Facetten. Wichtig ist genau das Richtige für sich zu finden. Für einen selbst. Dabei ist es durchaus legitim die gleichen Dinge zu mögen. Aber es ist wichtig sich dabei selbst treu zu bleiben.
Du sprichst mir aus der Seele! Aber leider ist es bei den meisten Pärchen so, dass es sie irgendwann nur im Doppelpack gibt. -.- Ich kann’s nicht nachvollziehen, da man ja vor der Beziehung auch ein eigenständiges Leben hatte. Warum also in einer Beziehung sein eigenständiges Leben aufgeben? Und überhaupt… immer den Partner ständig bei sich zu haben… uff… könnte anstrengend werden. Aber wenn man das als Single sagt, dann heißt es ala „Ach das wird sich bei dir auch ändern, wenn du den Richtigen gefunden hast. Der kommt schon noch bla bla bla“ Koooooootz!
Zum Glück gibt es ja auch andere Pärchen, aber das klebrige WIR ist schon echt sehr verbreitet.
Sehr amüsant 😄
Genau das!! Mein Freund und ich sind eins dieser Paare, die sehr viel getrennt machen. Wir haben auch gemeinsame Interessen, aber überwiegend halt… andere. Und für uns ist das voll okay. Nur von außen hört man oft, ob wir denn überhaupt eine richtige Beziehung führen würden, ob wir denn was gemeinsam hätten und bla. Ich bin der Meinung, für jeden Menschen passt ein anderes Beziehungsmodell. Und das ist doch auch gut so. Man darf sich auch selbst nicht verlieren, denn sollte die Beziehung mal scheitern… Was dann? Steht man plötzlich allein da und weiß gar nicht mehr, wer man eigentlich ist? Das ist ein schrecklicher Gedanke. Von daher: Mehr Eigenständigkeit in der Partnerschaft!
Lieben Gruß
Steffi
Ich saß gestern in einem Kreis von polyamoren Pärchen und sprach mit denen über ihr Leben. Das „wir“, was da kommt, ist ein ganz anderes, weil immer erst einmal geklärt werden muss, wer dieses „wir“ gerade ausmacht. Als dann ein gerade erst getrenntes Paar darüber langsam wieder miteinander sprach und wieder mehr zusammen fand, war das der Höhepunkt des Abends. Nur mal so als ganz andere Geschichte zu so einem „wir“-Erlebnis, denn davon wurden gestern auch einige berichtet, aber nie nervig und nie so, als würde die eigene Person nicht mehr existieren.
Ja, es gibt ja auch ganz viele WIRs. Und zum Glück nicht nur die von mir beschriebene Art.
Wie schön, dass WIR Singles uns einig sind und es wird spannend, wenn WIR wieder in einer Beziehung sind. Ich wünsche uns ein schönes Wochenende und liebe Grüße mit einem Schmunzeln im Gesicht. Erika
Danke liebe Erika!
Zu viel „Wir“ im ersten Absatz. Hätte fast nicht weiter gelesen.
Bei uns gibt es Wir, Ihn, Mich und das Kind.
Ich konnte verschmolzene Paare noch nie leiden und bin froh von Leuten umgeben zu sein, die „Ich-Phasen“ mögen.
„Mir ist wichtig, dass meine Frau auch mal was alleine macht. Auch ohne die Kinder.“ war der Satz, mit dem ein Freund sich bei mir echt viel Respekt verschafft hat.
Jeder muss sehen, wo er/sie bleibt. Es sind doch Erwachsene im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Oder ? 🙂
Jedem das Seine. Und mir das Allerbeste und dazu gehört auch Zeit für mich.
Schöner letzter Satz. Wortkotzbrechreiz wird mein Wort des Jahres und es ist gerade mal März 🙂
Ein super Beitrag – in allen Bereichen – habe herzlich gelacht – kann dich sehr gut verstehen – bin gerade auf dem Weg zu einem neuen „Wir“ und freu mich drauf, aber das „Ich“ will ich mir erhalten. Habs gerade erst wieder entdeckt (nach über 20 Jahren Einheitsbrei), und merke, wie wertvoll es ist.
Ja, ich glaube es ist total wichtig ganz am Anfang eines neuen WIRs gleich bei sich zu bleiben und sich nicht zu verbiegen. Viel Glück Dir mit dem neuen WIR! 🙂
Danke
Großartiger Beitrag – ich kann diese pausenlosen Wir-Pärchen auch absolut nicht leiden. Ich war jetzt sehr lange Single und kenne das alles nur zu gut.. momentan bin ich frisch verliebt und ich will auf keinen Fall ein großes, ständiges WIR werden. Und ich bin ziemlich zuversichtlich, dass mir das gelingt.
Sehr gut! Ich drück Dir (und uns) die Daumen! 🙂
Ich war fast mein ganzes Leben Single und hatte mich eigentlich prima darin eingerichtet. Aus der sicheren Entfernung schaute ich mir die Beziehungsdramen meiner Freundinnen an und erfreute mich an meinen Freiheiten. (Natürlich hatte ich da auch mal andere Momente, aber ich habe versucht, das Beste aus meinem Single-Leben zu machen).
Mit 45 bin unerwarteterweise doch noch mit einem Mann zusammengezogen und vor dem „WIR“, dass du hier beschrieben hast, hatte ich eine höllische Angst gehabt.
Da ich aber so beziehungsunerfahren war, meinte ich alles mit diesem Mann gemeinsam machen zu müssen, sonst wäre es keine richtige Beziehung. Ich lebte also genau das „WIR“ vor dem ich mich so gefürchtet hatte. Das war grauenvoll. Besonders nachdem ich mein Leben lang gewohnt war, meinen eigene Weg zu gehen.
Zum Glück hatte sich das nach einem Jahr gelegen. Aber auch erst, nachdem ich völlig fix und fertig war und ich mir erst so richtig bewusst wurde, was ich da machte. Später stellte sich heraus, dass es für ihn auch sehr anstrengend war, als ich meinte, alles mit ihm zusammen machen zu müssen.
Jetzt lebe ich wieder genauso, wie früher als Single (so behaupten das jedenfalls meine Freundinnen), nur eben mit dem Plus, das ich auch noch einen Lebensgefährten habe.
Ich gebe dir völlig recht, dass es nicht gesund sein kann, wenn zwei Menschen so miteinander verschmelzen. Jedenfalls kann ich mir das nicht vorstellen. Und es ist auch sehr schwer mit einer Freundin, die so in ihrer Beziehung aufgeht, befreundet zu sein.
Oh, schön zu hören, dass man aus dem WIR auch wieder ein ICH machen kann. Gabs einen bestimmten Anlass oder wie bist Du Dir plötzlich dessen bewußt geworden?
Ich habe auch einen Freund aber ich kann auch gut alleine sein! Das ist sehr wichtig und ich finde ebenfalls diese ganzen WIR-Pärchen so nervig! Ich habe eine sehr gute Freundin „verloren“ weil sie so ein WIR-Mensch geworden ist und ich das absolut nicht nachvollziehen kann. Am schlimmsten ist es jedoch, wenn dann die Beziehung vorbei ist und diese Personen wieder auftauchen und wieder Freunde sein wollen… Naja so ist das eben. Liebe für dich! 🙂
Haha oh nein, die nervigen „Wir’ler“!
Ist immer traurig wenn man einen Kumpel verliert 😀
Wie schön das WIR das alles hinter uns haben und ICH seit geraumer Zeit glücklich bin wieder alleine denken zu können 😉
Was ich jetzt durchaus nicht fies gemeint habe…
Dieser Artikel spricht mir aus der Seele und ich weiß es nur zu gut was es bedeutet wenn man das eigene ICH im Regal verstaubt und man merkt es nicht einmal *urks*
Schön, wenn man es selbst irgendwann merkt und daraus lernt. Leider lernen manche nue daraus und verfallen immer wieder ins gleiche Muster!
Ziemlich geiler Text, obwohl jeder irgendwie den Inhalt kennen dürfte! Warum? Na, man kennt es halt 😉 Ich gebe Dir recht, weil ich voll Deiner Ansichten teile! Aber bitte vergiss eins nicht, wir sind nicht alle gleich und manche Menschen brauchen genau dieses WIR und finden den passenden Gegenpohl. Wie Du selber sagst, die Welt ist bund und so gibt es auch diese Menschen….
Du hast natürlich recht, aber ich denke den WIR Menschen täte ein bisschen mehr ICH und DU ganz gut.