Liebst Du den?

Ich fahre jeden Tag mindestens zwei Strecken mit der U-Bahn, eher sogar vier bis sechs, wenn ich nach der Arbeit noch zum Sport gehe oder mich mit Freunden treffe. Da erlebt man ja wirklich so einiges und ich sollte tatsächlich viel mehr das Handy in meiner Hosentasche lassen und meine Umgebung besser beobachten. Letztens stand zum Beispiel ein wirklich sehr metallisierter Punk in der U-Bahn, der ein Nietenhalsband, Nietenarmbänder, eine geile Nietenlederjacke, Nieten an der Jeanshose, an den Schuhen und natürlich seeeeehr viele Nietenpiercings im Gesicht hatte. Als er ausstieg meinte die kleine, klapprige, uralte Oma, die mir gegenüber saß nur „Na, hoffentlich kommt jetzt kein Gewitter.“ Omas, mit einem offenen, herzlichen Humor – das gibt’s nicht oft.
U-Bahnfahrer mit Humor gibt es da schon eher. Vor ein paar Wochen fuhr ich in der Früh zur Arbeit mit einem mir wirklich sehr sympathischen Lokführer. An meiner Haltstelle tönte er über den U-Bahnhof „Liebe Damen und Herren, hier spricht Ihr Traumschiffkapitän. Willkommen in der Karibik. Bitte nutzen sie alle Türen der U-Bahn. Wir wollen schließlich alle heute noch zum Strand.“

Manchmal höre ich auch gern einfach nur Gespräche meiner Mitfahrer mit und erfreue mich daran. Vor ein paar Tagen saßen mir ein paar ungefähr 13jährige Mädels gegenüber. Die eine hatte einen neuen Freund und wurde gerade gefragt wie dieser aussieht, ob er eine Zahnspange besitzt und ob er ein Moped hat. „Liebst Du deeeen?“ – „Klar!“ – „Und wie oft habt Ihr Euch schon gesehen?“ – „So dreimal.“ Hach! Die Liebe…

Letztens war die U-Bahn mal wieder knallvoll. Sitzen unmöglich. Ein älterer Herr quetschte sich grad noch durch die Tür und meinte keck „Bitte alle Männer setzen. Frauen auf deren Schöße. Sonst wird das doch hier nichts.“ Kurzes gemeinschaftliches Auflachen. „Na los. Das ist mein Ernst. Mehr Kinder brauch das Land.“ Eine Dame, ungefähr sein Alter, darauf „Jaja, recht haben Sie. Von nichts kommt ja nichts.“ Ich schaute mich kurz um: Ein dünner Computernerd mit Brille und Handy in der Hand (irgendein sinnlos Jump’n’Run Spiel) wäre meine erste Option. Die zweite war stark übergewichtige, schwitzend, mit Körpergeruch und stark fettigen Haaren. Schräg dahinter ein Typ maximal 18. Gar nicht so schlecht, aber A-c-h-t-z-e-h-n? Den hätte ich dann großzügiger Weise lieber den 13jährigen Gören überlassen. Neben ihm noch ein Businesstyp im Anzug. Sein Schoß war allerdings schon durch einen Laptop belegt. Blieb nur noch G., der grinsend neben mir stand. Ich deutete ihm einen freien Platz, machte es mir auf seinem Schoß bequem und fühlte mich kurz wie mit 13. „Und liebst Du deeeen?“ schallte es in diesem Moment in meinem Ohr und ich dachte mir „Ich glaube schon.“

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24 Kommentare

  1. Haha, ich muss echt lachen – das mit dem U-Bahn-Spruch gefällt mir total 🙂 Hatte letztens auch so einen, da wollte noch einer durch die sich schließende Tür huschen, aber die Bahn war echt schon proppenvoll. Meinte der Lokführer ganz entspannt: „Na, da hat aber einer ausgeschlafen heute! Wollen wir den einen noch mitnehmen? Dann treten wir jetzt alle schön von der Tür zurück und ich drücke mal den Knopf. Aha, geht nicht? Ja dann probieren wir das jetzt alle noch mal: schön zurücktreten bitte, den Knopf drücken lassen, aaaaaahh, die Tür geht auf, die Tür geht wieder zu – na dann können wir ja jetzt losfahren.“
    Ich gebe zu, Euer Lokführer war besser (oder wars am Ende doch derselbe? ;)) – aber ich finde das immer so herrlich, wenn man so entspannten Leuten begegnet, das macht den ganzen Tag irgendwie gleich schöner!

  2. Hach schön! In welcher Stadt muss ich denn jetzt um mit der U-Bahn zu fahren?

    Wir sollten alle manchmal etwas verrückter und teenyhaft sein, dann wäre vieles nicht so kompliziert. Naja oder doch! 😀

    Trotzdem nette Geschichte, ich will mehr!

    Gruß der neunzehn73er

      1. Oh München wie schön!
        Schöne Stadt und nette Menschen! Hab da sogar 2 Bekannte dort wohnen. 😉 Leider bin ich erst einmal dort U-Bahn gefahren und das zur Wiesn. ;D

    1. Danke sehr! Aus Rom könntest Du da sicher auch die ein oder andere Story berichten. Ich erinnere mich noch gut an die Grabscher in der vollgestopften U-Bahnen…

  3. Ich kann zur Arbeit laufen und geniese das Spazieren schauen morgens und abends. Morgens kann ich oft den Sonnenaufgang in allen Farben hinter dem Ulmer Münster Kirchturm sehen.
    Einmal war ich mit einer Kollegin auf Schulung in Mannheim.Die Anreise war stressig und die Abreise war stressig. Im zurück stiegen total viele Berufstätige von Stuttgart nach bspw. Plochingen ein. Um fast kein Geld der Welt würde ich mit denen tauschen wollen. Zu Fuß hat einfach was und ich hoffe, ich kann den Status noch lange halten.

    1. Oh ja, wenn ich könnte, würde ich wahrscheinlich auch den Spaziergang bevorzugen. Frische Luft ist einfach besser als U-Bahngestank, aber langweilig sind die Fahrten auf keinen Fall.

  4. Hihi, ja, die Münchner U-Bahn-Fahrer. An manchen Stellen vermisse ich die alte Heimat dann doch. Bei einigen hab ich auch gedacht „Du sollst mich nur von A nach B bringen, kein Showevent abziehen!“, aber immer noch besser als „nächster Halt: Nuschelnuschelkrachkrächz“.
    Nirgends kann man besser Menschenstudien betreiben als in der U- und S-Bahn! 🙂

    Grüßle
    AnnJ

  5. Montags und Dienstags bin ich in der Regel auf der Strecke S1 und U2 unterwegs. Dort sind die Menschen eher verhalten. Schade. Ich sollte mal die Strecken wechseln. In Frankfurt sind sie jedoch noch schlimmer …

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