Ausschabung

Was für ein Wort. Da steht es. Ganz nackt, einsam und provokativ, wie sonst nirgendwo. Meine Ärztin machte einen Termin für mich in der Klinik aus und meinte dass das jetzt nicht schön wäre, aber auch etwas Gutes mitbringt. Wir wissen nun dass ich schwanger werden kann. Und sie hätte mindestens 3-4 Frauen pro Woche, denen es ähnlich gehen würde. Trotzdem fühlte ich mich sehr allein gelassen damit. Es ist übrigens nicht immer eine Ausschabung notwendig, aber ich wollte es schnell hinter mich bringen und die Alternative hörte sich für mich einfach zu grausam an: Auf eine unkontrollierbare Blutung warten. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher was grausamer ist, weil so eine Operation eben auch nicht ohne ist und nicht spurlos an einem vorbei geht.

Der Tag meiner Ausschabung

Es war so ein richtiger Apriltag, es regnete in Strömen, es war kalt und nass. Am Sonntag zuvor, war ich noch mit meinen Mädels in der ersten Frühlingssonne ein bisschen radeln. Alle waren unbeschwert und ich setzte ein Lächeln auf, weil niemand wusste, was am nächsten Tag passieren sollte. Ich konnte eigentlich an nichts anderes denken und trotzdem versuchte ich meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Die OP fand in einer Tagesklinik statt. Davon gibt es in meiner Stadt gleich mehrere. Ich fuhr allein hin, weil G. mich ja schon abholen wollte und er nur sinnlos hätte warten müssen. In der Klinik fühlte ich mich ein wenig wie in einem Utopiefilm. Es waren nur gut aussehende Schwestern anwesend und alles sah so clean und frisch desinfiziert aus. Normaler Weise versuche ich immer zu lächeln wenn ich mit fremden Personen spreche, aber dieses Mal ging es einfach nicht. Ich bekam mehrere Bögen zum Ausfüllen in die Hand. Vor der eigentlichen OP gab es noch ein Arztgespräch, ein Gespräch mit dem Narkosearzt und eine lange Wartezeit. Mit mir saßen noch einige andere Frauen im Wartezimmer und ich malte mir deren Geschichten aus. Eine ältere Frau unterhielt das ganze Wartezimmer in dem sie einer Schwester lauthals von ihrer ersten Ausschabung berichtete. Das wollte ich nun wirklich nicht hören. Eine sehr hübsche Frau, die mir gegenüber saß rollte mit den Augen und ich lächelte das erste Mal an diesem Tag.

Die OP

Von der OP an sich habe ich dann kaum etwas mitbekommen. Ich musste eins dieser sexy OP Hemden anziehen, was hinten offen ist, bekam dann relativ schnell die Narkose und schlief ein. Als ich wieder zu mir kam, war alles schon passiert. Ich lag neben der hübschen Frau im Aufwachraum, bekam Tee und Zwieback und musste noch liegen bleiben, bis der Arzt zu einem kurzen Gespräch kam. Körperlich ging es mir eigentlich schon wieder gut, aber meine Gedanken waren düster, traurig und ich wollte einfach nur nach Hause. Irgendwann kam der Arzt vorbei, meinte dass alles gut verlaufen wäre, ich nach Hause kann und nach einer Woche zur Nachuntersuchung zur Ärztin gehen sollte. Ich durfte aufstehen und mich anziehen. Verabschiedete mich von der hübschen Frau und obwohl wir kein Wort miteinander gesprochen hatten, fühlte ich mich ihr irgendwie verbunden, weil sie am gleichen Tag das gleiche durchmachen musste. Heute frage ich mich tatsächlich manchmal was aus ihr geworden ist. Hat sie inzwischen ihr Wunschbaby bekommen? Musste sie wie ich ein zweites Mal durch diese Hölle gehen? Ich wünschte ich könnte noch einmal mit ihr reden, da ich nur wenige kenne, von denen ich weiß, dass sie ähnliches erlebt haben.

Mit wem sprechen?

Nach diesen Erlebnissen fehlte mir der Austausch dazu um es zu verarbeiten. Das Thema konnte ich schlecht bei meinen Single Freundinnen platzieren, die mit ganz anderen Sachen kämpfen und auch nicht bei meinen Mama-Freundinnen, bei denen ich mich nicht so verstanden fühlte. Ich weiß dass sehr viele Frauen schon einmal eine Fehlgeburt hatten und nur wenige offen darüber sprechen. Bloß nichts sagen. Abwarten, bangen und hoffen. Viele Paare behalten es erst mal für sich, wenn sie erfahren, dass sie vielleicht Eltern werden.

Vielleicht.

Man schätzt, dass dreißig, vielleicht sogar bis zu vierzig Prozent aller Schwangerschaften in den ersten zwölf Wochen in einem Abort enden. Erst nach der zwölften Woche sinkt das Risiko auf etwa 2-3%. Und trotzdem wusste ich niemanden, der mir in der Zeit beistehen hätte können. Noch nicht einmal G. Ich glaube Männer verarbeiten das wahrscheinlich am besten in dem sie 5 Bier trinken und mit niemanden reden. Ich hätte gern geredet, aber niemand war da.

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18 Kommentare

  1. Hallo Jiuliena,

    ich musste gerade tief schlucken über deinen Bericht und auch darüber (ich hoffe, dass ich es missverstanden habe), dass du das nochmal durchmachen musstest. Ich hatte es beim letzten Mal schon geschrieben: Wir Männer werden das niemals nachvollziehen können. Wir reden darüber auch in unserer WG, also was der weibliche Körper so alles durchlebt und macht, und wie man sich damit fühlt (also als Beispiel meinte meine eine Mitbewohnerin, wie sehr sie sich in den ersten Monaten für ihre Periode geschämt hätte). Ich drifte ab…denn ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass ich als Mann sehr dankbar dafür bin, wenn ich diese Einblicke bekomme.

    Ich verstehe deine Furcht, mit deinen Freundinnen darüber zu sprechen, aber ich frage mich, ob nicht beide (also Single oder Mutter) dafür das nötige Verständnis gehabt hätten. Es ist so wichtig, gerade mit so einem Erlebnis nicht allein zu bleiben. Was G. betrifft, so kenne ich ihn nicht, aber womöglich schleppt er das auch mit sich herum und traut sich nicht, es anzusprechen, damit er es bei dir nicht triggert (so geht es mir zumindest häufig, also dass ich ein Thema nicht anspreche, weil ich denke, dass es mein Gegenüber wohl nicht besprechen will [was ich ja gar nicht wissen kann]).

    Ich danke dir wieder einmal für deine Offenheit und diesen Einblick.

    1. Hallo Ben,
      danke für Dein Feedback. Ich hatte wirklich lange überlegt, ob ich über dieses Thema blogge und dann auch noch auf http://www.carpediesenscheissdiem.wordpress.com, was ja eigentlich mal mein Reise- & Singleleben dokumentiert hat. Ich dachte, dass die Leser sicherlich nicht auch noch über meinen Kinderwunsch lesen wollen, aber hey – Dein Kommentar beweist das Gegenteil und das freut mich wirklich sehr.
      Die Kinderwunsch Story ist noch lange nicht zu Ende. Denn das was hier zu lesen ist, geschah im Frühjahr 2018. Inzwischen habe ich auch schon mit einigen Freundinnen darüber gesprochen und es ist verrückt, wie manche darauf reagieren. Ich glaube das Empathie für Dich kein Fremdwort ist. Das merkt man schon an Deinen Zeilen und liest man auch auf Deinem Blog. Aber Du glaubst nicht, wie viele damit nichts anfangen können. Aber das erzähle ich Euch in einem der nächsten Beiträge…

      1. Das trifft mich jetzt doch, also dass Freunde dem empathielos begegnen. Umso mehr schätze ich es, dass du dich damit an die breite Masse wendest, denn hier erwarte ich es gar nicht explizit. Aber ich denke, dass es gerade hier umso wichtiger ist.

        Fühle dich lieb gedrückt!

  2. Ach Jiuliena… wie gerne hätte ich dir zugehört, wenn ich es gewusst hätte. Diese Hölle tut mir von Herzen leid und ich denke an dich. UND ich höre nicht auf, an euer Happy End zu glauben!!!

  3. Es tut mir sehr leid, das alles zu lesen. Eine sehr gute Freundin von mir wollte lange schwanger werden und es hat nie geklappt. Und einmal hatte sie das Kind verloren. Sie erzählte mir das erst ein Jahr später und meinte dann, sie könne ja mit niemandem darüber sprechen. Das verletzte mich sehr, denn auch wenn ich mir kein Kind wünsche, habe ich trotzdem Empathie. Ich habe aber auch schon gehört, dass viele Frauen damit alleine sind oder sich zumindest alleine fühlen. Und betreffend G. sehe ich es gleich wie Ben. Er leidet sicher auch, hat aber Angst, dich zu triggern.
    Und: unser aller Leben verändert sich. Warum nicht einfach den Blog weiterführen. Das ist doch eine ehrliche und natürliche Entwicklung. Ewig single, unbeschwert und frei, das wäre doch auch nicht normal. Wir alten Leser sind ja auch gereift 😉. Eine herzliche Umarmung.

    1. Danke Frannie! Irgendwie ist dieses Kinderwunsch Thema so sensibel, dass gefühlt alles was Andere sagen sich wie ein Trigger anfühlt. Deshalb ist es so schwer für Freundinnen das Richtige zu sagen, weil vieles verletzend ist, was bei anderen Themen wertgeschätzt wird. Ratschläge zum Beispiel. Fehlende Empathie würde ich meinen Freunden auf keinen Fall zuschreiben aber fehlende Empathie im Bezug auf den Kinderwunsch. Vielleicht liegt es aber auch an mir selbst weil ich mich schnell missverstanden fühle.
      Und jetzt schau ich schnell mal auf Deinem Blog vorbei und was es Neues gibt. Schön auf jeden Fall dass Du noch da bist!

      1. Das mit dem Trigger kann ich mir schon vorstellen. Ich selbst konnte mich ja auch nicht zu 100% in ihren Kinderwunsch reinversetzen.
        Bei mir auf dem Blog gibt es schon lange nichts Neues mehr 😉 Im Leben aber schon. Vielleicht werde ich auch mal wieder schreiben. Momentan fehlt mir aber die Zeit.

        Ich drücke dir ganz fest die Daumen für das, was du dir wünschst!

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