Einfach weg?!

Warten und Hoffen. So endete mein letzter Artikel. Warten und Hoffen. Die ganze lange Zeit immer und immer wieder. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr konnte. Ich wartete und hoffte bereits seit 3,5 Jahren auf dieses kleine Wunder. In meinem Freundeskreis fühlte ich mich abgehängt. Eine Freundin eröffnete mir dass sie schwanger wäre. Es hätte „nicht gleich“ geklappt, sondern sieben Monate gedauert. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass sie noch nicht mal mit dem zukünftigen Vater ihres Kindes zusammen war, als ich schon die erste Fehlgeburt hatte und was für einen langen Bart mein Kinderwunsch im Vergleich zu ihrem hatte. Ich war neidisch. Ich war neidisch darauf dass sie aus meiner Sicht „nur“ sieben Monate warten musste. Ich war aber auch neidisch, dass sie schwanger wurde und alles gut aussah und sie einfach eine normale Schwangerschaft durchlebte.

Ich musste im September 2020 wieder in die Kinderwunschklinik. Ich saß zitternd im Wartezimmer und hatte Angst, was jetzt wohl kommen würde. War das Ödem noch da? War es gewachsen? War unser Mini gesund?

Einfach weg – Klappe die erste!

Die Ärztin versuchte mich zu beruhigen, was natürlich aussichtslos war. Also machten wir direkt einen Ultraschall um Gewissheit zu bekommen. Sie wirkte überrascht. Das Ödem war weg. Einfach weg? „Ja, das kann vorkommen.“ meinte sie. Trotzdem wirkte sie besorgt. Sie meinte sie hätte den Herzschlag kurz gesehen, aber nicht eindeutig und eigentlich müsste unser Mini auch schon etwas größer sein. Das Ödem war zwar weg, aber ist und bleibt ein Softmarker dafür, dass etwas nicht in Ordnung wäre. Wir müssten jetzt noch ein paar Tage abwarten und schauen was passiert.

Warten und Hoffen. Ich weiß nicht wie das andere schaffen. Ich war am Ende. Ich musste weiterhin zur Arbeit und dort die gut gelaunte Jiuliena spielen. Ich wusste nicht mit wem ich sprechen sollte und wollte. Also wieder: Warten und Hoffen.

Einfach weg – Klappe die zweite!

Ein paar Tage später war ich wieder in der Praxis. Wieder war ich unglaublich nervös. Im Ultraschall, dann die eindeutige Diagnose. Unser Mini war nicht weiter gewachsen und es gab keinen Herzschlag mehr. Er war einfach weg. Ich konnte meine Tränen nicht aufhalten. Noch am gleichen Tag fuhr ich zu meinem Frauenarzt, der den Stillstand bestätigte und mich auf meinen Wunsch hin in die Frauenklinik überwies, wo meine vierte Ausschabung stattfinden sollte. Dieses Mal sollte es ganz schnell gehen. Ich wollte nicht wieder wochenlang auf einen natürlichen Abgang warten. Ich konnte nicht mehr warten. Ich wollte damit abschließen. Am Nachmittag fuhr ich in die Klinik, um einen Coronatest zu machen, der vor der OP verlangt wurde und um mit dem Anästhesisten über die Narkose zu sprechen. In der Klinik herrschte Aufregung. Corona. „Hätten sie nicht eher kommen können? Wenn wir sie Übermorgen operieren sollen, weiß ich jetzt nicht ob wir bis dahin Ihre Testergebnisse bekommen.“ Die Schwester war genervt und ihr vorwurfsvoller Ton gab mir den Rest. „Ja, entschuldigen Sie vielmals, dass ich nicht schon heute Morgen da war, allerdings wusste ich da noch nicht das mein Baby in meinem Bauch nicht mehr lebt.“ platze es aus mir heraus und die Tränen liefen weiter. Wortlos führte man mich ins Sprechzimmer, wo ich den ersten Coronatest meines Lebens machte. (Die Entnahme im Rachen ist ja noch okay, aber Nase war wirklich ekelhaft.) Ich hatte unser Mini zum ersten Mal „Baby“ genannt. Ich hatte „mein Baby“ gesagt. Es fühlte sich irgendwie unwirklich an. Ich fragte mich, ob ich irgendwann je „mein Baby“ sagen würde können.

Einfach weg – Klappe die dritte!

Zwei Tage später kam ich wieder. Die Sonne schien. Mein Coronatest war negativ. Mitte September 2020 wurde ich zum vierten Mal in 3 Jahren operiert. Wieder das weißes OP Hemd, wieder eine Vollnarkose, wieder warten und weinen als ich in den OP geschoben wurde. Unendlich viele Tränen. Und ein tiefer Schmerz. Das vierte Mal. Ich lies mich eine Woche krankschreiben, nahm eine weitere Woche Urlaub und überredete G. mit mir auf eine einsame Insel zu fahren. Die Insel war nicht ganz einsam. Okay. Aber sie lag im Mittelmeer, die Sonne schien und wir waren weit weg von allem. Einfach weg. Das tat gut. Das würde ich jedem raten, der diesen tiefen Schmerz fühlt. Es war kein Urlaub. Es war eine Art Therapie. Ein Versuch der Heilung. Ich begann wieder zu schreiben. Mein Comeback als (Kinderwunsch) Blogger.

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20 Kommentare

  1. Ich sitze hier, mit feuchten Augen und zitternden Händen und will einfach nicht glauben, was ich da gerade gelesen habe.

    Es tut mir so unendlich leid für euch, dass ihr diesen Verlust schon wieder ertragen musstet. Fühl dich gedrückt.

    Danke, dass du deine Geschichte mit uns teilst und damit Allen, bei denen der Kiwu nicht so super perfekt klappt, das Gefühl gibst, nicht allein zu sein ❤️

    1. Hey, ich möchte hier aber niemanden zum Weinen bringen. Auch wenn ich mich ehrlich gesagt freue, dass Du so mitfühlend bist.
      Nein, wir sind nicht allein, auch wenn ich verstehen kann, dass man sich oft so fühlt. Wir geben nicht auf!

  2. Oh liebes….das ist so furchtbar 😣
    Es tut mir so leid.

    Ich bin froh, dass du weiter schreibst🙏❤️

    Sei gedrückt und ich wünsche Dir nur das Allerbeste und hoffe, für uns beide, dass irgendwann dieses unfassbare Wunder einfach geschieht ♥️

      1. Ja, das Wunder einer intakten Schwangerschaft mit gesundem, lebendigem Kind, das man mit nachhause nehmen und aufwachsen sehen darf 🙏🍀♥️

  3. Es zeigt von großer Stärke, dass du uns an diesem/deinem schier unerträglichen und unfassbaren Schicksal teilhaben lässt…danke! Ich wünsche dir alles Glück für ein gutes Ende! 💕

  4. Mir fehlen gerade einfach nur die Worte… 😔
    Es ist so unendlich traurig und so furchtbar ungerecht. Und es tut mir so unfassbar leid für euch, was für einen schwierigen Weg ihr da gehen müsst. 😢

    Ich wünsche dir so sehr, dass sich dieses blöde Blatt so langsam endlich mal wendet, du eine wunderbare Schwangerschaft haben kannst und ihr euer kleines Baby im Arm halten könnt. ❤️
    Ich kann mir kaum ausmalen wie schlimm das alles für dich und euch gewesen sein muss bzw immer noch ist. 😢

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