Kitafest.

Freitag. Ich bin im Homeoffice. Gott sei Dank, denn ich muss noch diese Pizzaschnecken backen, bevor heute Nachmittag das Kitafest startet. Während meines Teamscalls gehe ich schon einmal gedanklich die Zutaten durch. Pizzateig, Tomatensoße, Mozzarella und Basilikum. Als vor ein paar Wochen das GoogleDoc rum ging, habe ich mich schnell eingetragen mit etwas was keinen Aufwand macht. Denn sind wir mal ehrlich, außer Nachts habe ich kaum Zeit zum Backen, Garnieren oder Häppchen erstellen. Und Nachts bin ich froh wenn ich zwischen einem querliegenden Mini und einem verschnupft röchelnden G. ein paar Stunden Schlaf bekomme.

Liebevoll -los rolle ich den Pizzateig aus, klatsche die Tomatenknoblauchsoße drauf, forme die Schnecken und bestreue sie mit Mozzarella, während ich unserer Betriebsversammlung lausche. Als wir über Verkaufszahlen und Gewinn sprechen, schiebe ich das Blech in den Ofen. Als es um Verluste geht, hole ich es wieder heraus. Nein, das hier ist absolut kein Verlust. Die Schnecken sind perfekt und die Kids werden sie lieben. Unser erstes Kitafest. Was zieht man da eigentlich an? Ein Sommerkleid (schließlich kommt vielleicht der sexy Vater von Ida) oder lieber praktisch Jeans und T-Shirt (wahrscheinlich sitze ich mit Mini direkt wieder im Sandkasten und backe dort den Kuchen, den ich zu Hause nicht schaffe). Pünktlich um 14.30Uhr fahre ich den Rechner runter und entscheide mich für die Jeans. G. ist auch dabei. Als wir ankommen ist schon einiges los. Es ist ein bisschen wie früher, als ich auf privaten Partys war, wo ich niemanden kannte. Nur sind hier deutlich mehr Kinder am Start. Aber stimmt, wir sind ja auch in einer Kita. Mini sieht uns und läuft direkt auf uns zu. Ein wenig verwirrt schaut er sich um, warum so viele Erwachsene gleichzeitig hier rumwusseln. Dann entdeckt er das Buffet, wo neben meinen Pizzaschnecken auch Kuchen, Obst, vegane Muffins und Gemüsestäbchen stehen. Ich gucke nicht schlecht. Irgendwer hat die tiefgekühlten Gemüsesticks von Iglo, auch als vegane Fischstäbchen bekannt, in eine Pfanne gehauen und nett auf einem Teller drapiert. Die Mutti oder den Vati möchte ich kennenlernen, denn der oder die waren noch einfallsreicher -loser als ich. „Könnt Ihr euch bitte noch Eure Namen aufkleben?“ zieht mich eine grelle Stimme aus meinen Gedanken. Wer ist das? Sie selbst hat keinen Namenaufkleber. „Mich kennen hier eh alle.“ Kommentiert sie meine Frage. Und ich antworte „ich ja anscheinend nicht“, was sie damit entrüstet aufklärt, dass sie ja Sarah, die Elternvertretung wäre. Okay, in den letzten sechs Monaten hatte ich einfach nie etwas mit ihr zu tun.

Die anderen Eltern sehen ehrlicher Weise auch alle ein bisschen verloren aus. Krampfhaft versuche ich mit der Mutter von Noah ein Gespräch anzufangen. „Hoffentlich hält das Wetter heute. Es sieht ja schon sehr nach Regen aus.“ „Ach ja Noah und Mini spielen ja so gern zusammen“. Puh, ein bisschen anstrengend ist das schon. Juliane, die Kitaleitung, unterbricht uns zum Glück und eröffnet das Fest, in dem sie sich auf den höchsten Hügel im Garten stellt (etwa unglaubliche 1m hoch) und laut schreit, dass es schön ist, dass wir da sind „…und hoffentlich das Wetter hält.“ Okay, sie weiß halt auch nicht was man anderes sagen soll. Wir stehen neben Mini und gucken uns um. Wo ist die Musik? Wo der Sekt? Und wo sind die coolen Eltern, die ich hier kennenlernen wollte, damit ich mich bald zu ein paar Playdates verabreden kann? Der Papa von Justus trägt Anzug und Schlips, der kommt wahrscheinlich direkt von seinem Bänkerjob, die Mutter von Isabel stolpert mit ihren hohen Hacken durch den Sand. Die wollte wohl auch den Vater von Ida beeindrucken, den ich leider nirgendwo erblicke. Ich versuche Mini zum Kinderschminken zu überzeugen, aber der guckt nur zu. Und als ich ihn frage ob er auch ein Löwe oder Flamingo sein will, läuft er weg, Richtung Sandkasten. Okay, ich kanns verstehen. Begabt scheint die Maskenbildnerin ehrlich gesagt nicht zu sein. Was macht man eigentlich sonst so auf einem Kitafest? Ich schaue hilfesuchend zu G., der gerade in einem Gespräch mit Sarah, der Elternvertretung festhängt und hilfesuchend zurückschaut. Retten will ich ihn aber auch nicht. Schließlich hatte ich ja schon meine fünf Minuten mit ihr. Ein paar Mamas tauschen sich über den Essensplan in der Kita aus, der für alle sichtbar am Eingang hängt und ja nur selten „rein veganes Essen“ anbietet. Neben dem Wickelraum steht eine Traube Eltern, welche ich vom Sehen kenne. Ich nicke ihnen zu. Einige habe ich aber noch nie gesehen. Irgendwie wirkt alles sehr steif. Die Erzieher wirken angespannt, was daran liegen könnte, dass Sarah zum 100. Mal nachfragt, ob ihr Kind Pauline denn auch wirklich Mittags geschlafen hat und warum ihre Sachen immer so schmutzig wären. Sie müsse ja jeden Tag waschen. Zu Hause würde das nicht so oft passieren.

Die anderen Eltern sind auch nicht entspannt, weil entweder ein Kind gerade ein anderes schuppst, wegläuft oder weint. Und die Kinder sind auch nicht entspannt, denn die vielen Erwachsenen in ihrem Kitareich, sind sie nicht gewohnt.  Und ich bin auch nicht entspannt, weil immer noch Musik und Sekt fehlen. Ich schiele noch einmal zu G. der immer noch in den Klauen von Sarah gefangen ist, als plötzlich Mini zu weinen anfängt, weil Leon ihm Sand ins Auge geworfen hat. Ich hechte zu ihm und versuche ihn zu beruhigen, G. wittert ebenfalls seine Chance und eilt zu uns. Heimlich schnappen wir uns noch drei Pizzaschnecken und unsere Jacken und ohne zu sprechen schleichen wir uns vom Fest. Vor der Kita hat sich Mini auch wieder beruhigt und lacht uns an. Sollen wir alle drei noch zur Isar radeln und ein bisschen Steine werfen gehen? „Ja!“ antwortet er. Hat er am Ende vielleicht auch nur geschauspielert, weil er weg wollte? Wir wissen es nicht. Als wir uns ans Ufer der Isar setzen, merke ich aber wie die Anspannung von mir abfällt. Früher bin ich doch immer gern auf Partys gegangen, wo ich keinen kannte? Was war denn heute anders? Bin ich inzwischen zu alt, zu verkampft? Habe ich seit Corona eine Menschenabneigung entwickelt?

„Es war ein Kitafest, keine Party, Jiuliena!“ antwortet G. und ich denke mir er hat recht. Nach über 1,5 Jahren, die Mini nun schon bei uns ist, bin ich eben immer noch ich. Jiuliena, mit einer Vorliebe für Gin Tonic, lauter Musik, vielen Freunden und Partys und nicht einfach nur Maaaaaaaama.

10 Kommentare

  1. Ein wirklich lustiger (und leicht beklemmender) Bericht. Dass mit dem Essen kann ich gut nachvollziehen- ich habe mal Fruchtzwerge als Piraten bemalte. Kam mega bei den Kids an und dauert nur 5 Minuten 😉.

    Ansonsten sind die Kitafeste hier (aufm Dorf) deutlich entspannter mit Bier und Caipi-Bowle und die Kita-Gruppen von vor 35 Jahren sitzen auf den Bänken und schauen ihrem Nachwuchs, der nun auch zusammen in die Kita geht, zu. Jeder kennt nahezu jeden, obwohl wir eine große Kita mit 80 Familien sind.

    Danke also für deinen Einblick! LG

    1. Man muss ja hier immer aufpassen, dass man keinen Zucker, nur natürliche und gesunde Zutaten und am besten noch vegan verwendet. Fruchtzwerge wären der Killer. 🤣
      Klingt bei Euch wirklich wesentlich entspannter. Bier und Bowle hab ich sehr vermisst. Oder wenigstens die kleinen Wackelpuddingshots… 😂

      1. In unserer Kita gibt es ab und an Butterbrote mit bunten Streuseln zum Vesper, Eis, Kekse und so weiter. (Hier bekommen die Kinder auch frühs, mittags und nachmittags alle das Gleiche. Keine Mama muss Brote schmieren oder vorkochen. Und es gibt im Sommer KEINE Schließlich, man soll sein Kind irgendwann in den 3 Sommermonaten mal zwei Wochen am Stück zuhause lassen, aber wenn es eine Familie oder Alleinerziehende aus irgendeinem Grund nicht schaffen, ist das auch kein Drama.
        Ich staune regelmäßig Bauklötze, was in anderen Kitas so abgeht.

      2. Wo wohnst du nochmal und ist in Deiner Nachbarschaft noch eine Wohnung frei? 😆
        Bei uns ist die Kita Ende August 2 Wochen zu und im September gibt es direkt einen Klausurtag. Und da dürfen wir uns noch glücklich schätzen, weil es nur 2 und nicht 3 Wochen im Sommer sind und unsere Kita bis 16Uhr offen hat und nicht wie viele andere hier nur bis 14Uhr.

      3. Tatsächlich ist es mit Wohnungen hier auch eher schlecht… das Dorf ist recht groß und beliebt.

        Unsere Kita öffnet übrigens 5:30 Uhr (für Menschen, die ab 6 Uhr Frühschicht haben) und schließt 16:30 Uhr, wenn man mal unbedingt ganz dringend jemanden braucht, bleibt die Erzieherin auch bis 17 Uhr. (Kommt aber fast nie vor.) Und bei der anderen Kita im Dorf ist das alles auch so.

        Hier jammern Eltern manchmal, weil an Brückentagen immer zu ist, das ist im Vergleich zu anderen Kitas aber natürlich lachhaft.

        Ach, der Ganztagesplatz kostet übrigens nur 120€ in der Krippe und ab 4 Jahren gar nichts mehr. Halbtags sind 90€ , dann darf das Kind bis nach dem Mittagessen ca. 12 Uhr bleiben.

      4. Ja genau und mit dieser Unterstützung geht man halt dann ggf. auch ein paar Stunden mehr arbeiten…ich denke, hier haben andere Regionen echt noch Nachholbedarf.

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